Montag, 5. Oktober 2009

Bundestagswahl 2009 in Deutschland: Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber

Das Wahlergebnis der letzten Bundestagswahlen mußte erst einmal eine Woche lang sinken und verarbeitet werden. Ist das letzte Bundestagswahlergebnis ein Grund zur Freude oder ein großes Ärgernis? Sowohl als auch.
Ich beginne mit dem Ärgernis:

CDU/CSU
Auch wenn CDU/CSU auf ihr schlechtestes Ergebnis seit den ersten Bundestagswahlen gefallen sind, sind sie leider hinsichtlich der abgegebenen Wählerstimmen immer noch das stärkste Parteienbündnis. Deren Wähler benötigen vor allem eines: mehr Flüssigkeit im vertrockneten Gehirn! Aufgrund welcher Performance haben deren Wähler dort ihr Kreuz gemacht? Gibt es eine einzige Entscheidung in der letzten Legislaturperiode, die sinnvoll war und der Allgemeinheit eine Verbesserung gebracht hat? Oder hat Merkel einfach nur eine „bessere Figur“ im Wahlkampf gemacht, indem sie quasi keinen Wahlkampf gemacht hat nach dem Motto, das auch ihre Beteiligung an der Regierung kennzeichnete: „Wer nichts tut, kann auch nichts falsch machen“? Angesichts der Altersstruktur der Wähler von CDU/CSU muß man sich fragen, ob Demenz nicht doch ein viel größeres Problem in Deutschland ist, als allgemein angenommen. Jüngere Wähler haben ihr Kreuz woanders getätigt. Vielleicht sollte man ältere Menschen verstärkt ermuntern, sich mit dem Internet zu befassen. Das schafft nicht nur sehr viele neue Gehirnwindungen und hält die Alterung des Verstandes auf, es ermöglicht auch die Wahrnehmung alternativer Standpunkte abseits der gleichgeschalteten Massenmedien. Dann wäre nämlich aufgefallen, daß unter der Ägide der CDU und ihres orwellschen Beißhundes Schäuble die Bürgerrechte im Monatsrhythmus abgebaut worden sind, daß die CDU kaum mehr als der politische Arm der Banken und Atomkonzerne ist, daß das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit mehr und mehr mit Füßen getreten werden und mit der von Schäuble geplanten Geheimpolizei eine neue GESTAPO geplant ist. Dann wäre auch aufgefallen, daß diese sich christlich nennende Partei der Bevölkerung genmanipulierten Fraß bis zur Fortpflanzungsunfähigkeit auftischen will und das Abschlachten von Menschen für die Verwertung von Rohstoffen expandiert hat, daß sie die Partei ist, die sich als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien gegen Volksabstimmungen stellt (nur CDU, in Bayern gibt es unter der CSU eines der fortschrittlichsten und meistgenutzten Volksabstimmungsgesetze Deutschlands), daß sie die Renten unterhalb der Inflationsrate angehoben hat, was einer Entwertung der Kaufkraft gleichkommt, daß in ihr Rassismus nicht unüblich ist (Ausfälle von Rüttgers und Koch), daß sie die Bundeswehr im Inland gegen friedliche Demonstranten einsetzen will und den Datenschutz aushebelte, indem sie den de-facto-faschistischen USA alle Daten der Bundesbürger auf dem Silbertablett präsentierte.

FDP
Die Wähler dieser Partei mögen vielleicht jünger sein als die der CDU, so daß ich ihnen keine Altersdemenz vorwerfen möchte. Den Wählern, die die FDP aufgrund des Einsatzes für die Wiederherstellung der Bürgerrechte gewählt haben, mache ich keinen Vorwurf. Es ist zwar naiv, anzunehmen, daß die FDP in den Koalitionsverhandlungen nicht umfällt, wie schon der im aktuellen sächsischen schwarz-gelben Koalitionsvertrag festgeschriebene Ausbau der Telefonüberwachung beweist, aber immerhin kann man dem Wähler eine gute Absicht nicht absprechen. Wohl aber denen, die sie wegen ihrer marktradikalen, asozialen Wirtschaftspolitik gewählt haben: Habt ihr aus der Krise überhaupt nichts gelernt? Oder wart ihr zu sehr damit beschäftigt, die Krise für noch mehr Selbstbereicherung zu nutzen? Diese Krise ist das direkte Ergebnis dessen, was einst mit dem Lambsdorff-Papier am 9. September 1982 begonnen wurde, dessen Forderungen jede CDU- und SPD-Regierung in den folgenden Jahrzehnten Schritt für Schritt realisiert hat. Deregulierung, Privatisierung, Flexibilisierung – das ist die neoliberale Dreifaltigkeit, die heute einfach nur Einfältigkeit genannt werden kann. Es wurde dereguliert, in der Wirtschaft und im Finanzsektor. Wo zuvor vernünftige gesetzliche Grenzen dem Finanzcasino Einhalt geboten, wurden Gesetze geschliffen und Heuschrecken ins Land geholt, deren Gier keine Grenzen kannte und noch immer nicht kennt. Gier ist lernunfähig, und so ist es auch die FDP. Und was ist mit Privatisierung? Die Berliner wissen nur zu gut, wohin das bei der S-Bahn geführt hat: defekte Bremsen, die zu Kollisionen führten und ein Fuhrpark, der aufgrund des Profittransfers zur Bahn AG kaputtgespart wurde – im buchstäblichen Sinne. Auch im Energiesektor hielt die Privatisierung nicht, was sie zuvor versprochen hatte: schlechterer Service, höhere Preise, weniger Sicherheit (Stichwort Asse) sind die Ergebnisse dessen, wenn man die Grundversorgung privatisiert. Die privatisierten Berliner Wasserwerke haben eine Preisgestaltung, die zu den teuersten Wasserpreisen in ganz Deutschland geführt hat. Es ist die neoliberale Ideologie der FDP in Reinform, die zu allen negativen Erscheinungen in Deutschland, die wir heute beobachten können, geführt hat. Und was ist mit Flexibilisierung? Es ist ein netter Euphemismus für Sozialabbau bei Beschäftigten, für weniger Sicherheit des Arbeitsplatzes, für Hire and Fire, für die Abschaffung aller Errungenschaften, die Arbeiter, Angestellte, Studenten im letzten Jahrhundert erkämpft haben. Auch die FDP ist nur ein politischer Arm der Großbanken, wie man an der Verteilung der Parteispenden zweifelsfrei erkennen kann. Und schließlich sollte nicht vergessen werden, daß die Naumann-Parteistiftung der FDP mithalf, den zunehmend blutigen Militärputsch in Honduras zu finanzieren. Dort wurden elementarste Bürgerrechte suspendiert. Glaubhaft ist der Einsatz für Bürgerrechte und Demokratie im Inland nur, wenn man ihn auch im Ausland praktiziert!

SPD
Deren Parteiführung hat jahrelang die Kritik am von ihr betriebenen Sozialabbau nicht wahrnehmen wollen und bildete sich ein, daß es keine inhaltlichen Fehler gab, sondern man die eigene Politik nur schlecht „kommunizierte“. Kommunikation ist keine Einbahnstraße! Die Minister, Parteivorsitzenden und Fraktionschefs beschimpften diejenigen, die einen Sozialstaat gerade in einer globalisierten Welt der steigenden Risiken für nötiger denn je halten, als ewig gestrige Traditionalisten. Wer nicht hören will, muß fühlen. Doch ist die SPD überhaupt noch in der Lage, zu fühlen? Marginale Änderungen in der Rhetorik reichen nicht aus, um Vertrauen in den sozialen Anspruch zurückzugewinnen. Wer sich nach den verheerenden Bundestagswahlergebnissen wie Matschie in Thüringen gleich wieder der CDU unterwirft, anstatt eine politische Alternative aufzubauen, hat offenbar überhaupt nichts verstanden und demonstriert neben blanker Machtgier und Eitelkeit einfach nur eine weitere Verhöhnung der Wähler. Wer wie Steinmeier in der Elefantenrunde trotz des schlechtesten Ergebnisses der SPD seit der Kaiserzeit den Moderator anblafft, als dieser fragt, ob die Agenda 2010 ursächlich für den stärksten Einbruch einer Bundestagspartei seit Bestehen der BRD ist, zeigt eine erschreckende Unfähigkeit zu selbstkritischem Denken. Indem Steinmeier, der Erschaffer der Agenda 2010, der Sargnagel der SPD, sich gleich an den Fraktionsvorsitz klammert, demonstriert er, daß er vollkommen den Bezug zu den Wählern und den Bedürfnissen der Menschen verloren hat. Er sollte sich an den Verlierern der letzten Wahl Japans ein Beispiel nehmen und genug Ehre zeigen, um Fehler nicht nur einzugestehen, sondern auch von allen Ämtern zurückzutreten. Wenn die Parteimitglieder jetzt nicht ihre verdammte Pflicht tun und die gesamte alte Parteiführung in die Wüste schicken, wird die großartige Traditionspartei der Sozialdemokratie durch ein Krebsgeschwür von innen vernichtet. Es muß sofort aufhören, von oben herab die Not der Menschen zu verhöhnen, wie es z.B. ein Herr Sarrazin regelmäßig tut. Werden Leute wie er nicht schnellstens aus der Partei ausgeschlossen, dann braucht diese Partei keine externen Feinde mehr. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Es ist nicht so, daß es in der SPD nicht viele Menschen gäbe, die aufrechte Sozialdemokraten sind, die sich mehr soziale Gerechtigkeit und eine Verkleinerung des Abstands zwischen arm und reich wünschen. Unter den Parteimitgliedern gibt es viele, unter den medial bekannteren Personen gibt es auch noch etliche.

Sie warnten und wurden ignoriert - die "Fantastic Six" der SPD - Zeit, auf sie JETZT zu hören!

Doch sie wurden in den letzten Jahren weggebissen und per Rufmord unter Mithilfe des Seeheimer Kreises vernichtet, seien es Andrea Ypsilanti, die – verglichen mit anderen Landtagswahlen – eines der besten Ergebnisse für die SPD geholt hat, indem sie für eine „soziale Moderne“ eingetreten ist. Oder der Träger des alternativen Nobelpreises, Hermann Scheer, der eine Wende zu regenerativer Energie in Hessen durchführen wollte, bis ihm ein anderer Sarrazin, Wolfgang Clement, mit seinem unkollegialen Ratschlag, nicht die SPD zu wählen, in die Quere kam. Oder die Vorsitzende der Jungsozialisten Drohsel. Sie hat nur zu gut verstanden, daß die SPD wieder deutlich sozialer werden und sich für Koalitionen mit der Linkspartei öffnen muß. Auch Rudolf Dreßler, ehemaliger Botschafter Deutschlands in Israel und Ottmar Schreiner - deren sozialdemokratische Seele beispielhaft ist und die nicht erst seit den desaströsen letzten Landtags-, Europa- und Bundestagswahlen fragen, ob der Applaus der CDU und FDP zum Agenda2010-Sozialabbau der höhnische Applaus des politischen Gegners ist.
Der SPD ist zu wünschen, daß sie den kommenden Parteitag im November dazu nutzt, endlich mal öffentlich einzugestehen, daß sie politische Fehler gemacht hat und ihre Kernidentität verraten hat; daß sie die vielleicht letzte Chance nutzt, um sich personell und inhaltlich zu erneuern, um wieder zu einer poltischen Alternative mit einer Machtperspektive zu werden, denn als das ist sie nicht mehr wahrgenommen worden.
Dazu gehört auch – längst europäische Normalität - ein Bekenntnis zu rot-rot-grün, ohne Wenn und Aber. Mit der marktradikal-sozialdarwinistischen FDP sind keine der sozialen Forderungen der SPD umsetzbar, und in einer Koalition mit der CDU färbt sich das rote der SPD schnell schwarz. Lobbyisten für Rüstungskonzerne wie den Seeheimer Johannes Kahrs oder Lobbyisten für Versicherungskonzerne wie Walter Riester oder Lobbyisten für private Krankenhaus- und Pharmakonzerne wie Lauterbach, Lobbyisten für biometrische Überwachungsunternehmen wie Otto Schily oder Lobbyisten für die Privatisierung von öffentlichen Unternehmen wie Rudolf Scharping sollten niemals wieder Ämter in der SPD oder in der Bundesrepublik bekleiden dürfen. Sätze wie die von wie Müntefering („Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ oder „Wir werden gemessen an den Versprechen aus den Wahlkämpfen. Das ist unfair.“) dürfen nicht mehr fallen, und es muß endlich aufhören, daß man vor der Wahl links blinkt und nach den Wahlen rechts abbiegt! In dem Sinne wünsche ich der SPD nur eins: daß sie sich auf ihren Namen besinnt und etwas mehr den Ratschlägen von Albrecht Müller folgt, der als Wahlkampfverantwortlicher das bisher höchste Ergebnis der SPD in Deutschland eingefahren hat – damals für Willy Brandt. Wenn jemand weiß, wie man die SPD zum Erfolg führen kann, dann ist er es. Denn die Bevölkerungsmehrheit ist für eine sozial ausgerichtete Demokratie, wenn man sie nach Themen wie Mindestlohn, solidarischer Bürgerversicherung oder Friedenspolitik fragt. Setzt man dies in Bundesländern um, kommt der Erfolg bei den nächsten Bundestagswahlen von allein.

Die Grünen
Den Grünen gönne ich ihren Erfolg größtenteils, wenn auch nicht uneingeschränkt. Sie haben vor den Wahlen ein Bündnis mit der CDU ausgeschlossen und damit eine klare Alternative präsentiert. Warum sie jedoch daraus nicht lernen und nun mit der CDU im Saarland verhandeln, erschließt sich mit logischen Argumenten nicht. Schwarz-grün ist kein Zukunftsprojekt, sondern ein Weg der CDU, die Grünen zu zerstören, so wie alles zerstört wird, daß mit der CDU ins politische Bett steigt. Weder die Wähler der Grünen haben ein Interesse daran, mit der Atomkraftwerks- und Bürgerrechtsabbaupartei zu koalieren, noch zeigt das bisherige Beispiel Hamburgs, daß die Grünen von einer solchen Verbindung profitieren oder auch nur ein einziges ihrer Wahlziele umsetzen können. Sicherlich müßte man den Grünen auch vieles vorwerfen, daß die SPD derzeit an Kritik einstecken muß, allerdings haben die Grünen auch hinzugelernt, indem sie sich in kleinen Schritten von der militärischen Komponente des Afghanistan-Feldzugs distanzieren, außerdem fordern sie eine Anhebung des Hartz-4-Betrages und diskutieren, wenn auch noch als Minderheitsposition innerhalb der Partei, über ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Die Linkspartei
Der signifikante Anstieg der Stimmen für die Linkspartei zeigt, daß sich die Menschen nicht mehr einlullen lassen von der medialen Manipulationsmaschinerie. Wer sich das Programm der Linkspartei anschaut, insbesondere die wirtschaftspolitischen und sozialen Vorschläge und auch die Gegenfinanzierung durch die Besteuerung der Finanzcasino-Exzesse und höherer Steuern für die Reichsten des Landes, wird nicht mehr so leicht den inzwischen wenig originellen Vorwurf wiederkäuen, daß es utopische Fantastereien sind, die nicht finanzierbar wären, daß die Linkspartei zwar die richtigen Probleme anspreche aber keine Lösungen hätte. Gemessen an dem, was in anderen Ländern, wie z.B. denen in Skandinavien, die Sozialdemokratie realisiert hat, ist das Programm der Linkspartei hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben sogar finanzpolitisch fast schon zurückhaltend konservativ.
Was jedoch negativ bei der Linkspartei aufschlägt, ist ihr neoliberales Verhalten in Berlin und Dresden. Weder das Verkaufen von Sozialwohnungen an Heuschrecken in Dresden noch das Verweigern höherer Löhne für unterbezahlte öffentliche Angestellte oder die Geheimhaltung von Vertragsdetails bei privatisierten Abzocker-Wasserwerken in Berlin ist etwas, auf das man stolz sein kann. Ebenfalls ist es völlig ungerechtfertigt, daß Bodo Ramelow / Thüringen von einem sofortigen Abzug der Truppen aus Afghanistan abrückt. Falls eine rot-rot-grüne Bundesregierung sich nach den nächsten Bundestagswahlen zusammenfindet, sollte man seine Verhandlungsposition nicht schon vorher aufweichen. Die Bundeswehr ist Teil des Problems in Afghanistan, nicht Teil einer Lösung. Außerdem muß wenigstens eine Partei im Bundestag militärische „Lösungen“ knallhart ablehnen, auch wenn es lange Zeit auch Bestandteil der Parteiprogramme von SPD und Grünen war, wie auch die Auflösung oder Umwandlung der NATO. Wenn die SPD der Linkspartei außenpolitische Untauglichkeit vorwirft, sollte sie zuerst einmal ihre früheren Parteiprogramme zu diesem Punkt lesen.

Bis zu den Landtagswahlen im meistbevölkerten Bundesland – Nordrheinwestfalen – am 9. Mai 2010 wird die schwarz-gelbe Regierung Kreide fressen, um dann unverholen Sozialabbau zu betreiben. So gesehen läßt sich die anfängliche Frage vielleicht so beantworten: gerade weil das Ergebnis der letzten Wahlen ein großes Ärgernis hinsichtlich des drohenden Sozialkahlschlags ist, ist es ein Grund zum Optimismus, zumindest dann, wenn es dazu beiträgt, die apathischen Deutschen endlich dazu zu bewegen, aufzustehen gegen die wachsende Ungerechtigkeit und die schreienden Mißstände in diesem Land, zusammen aufzustehen für eine echte Demokratie, für Bürgerrechte und für wirtschaftliche Vernunft (verdurstete Nachfrageseite der Binnenwirtschaft unterstützen durch mehr Kaufkraft für die Massen) und soziale Gerechtigkeit!

Irland gibt EU-Erpressung nach: Mehrheit der aktiven Wähler votiert für Lissabonvertrag

Die Zeitungen, die Nachrichten (der Bürger soll sich ungeprüft danach richten) im Radio und Fernsehen jubeln regelrecht über die frohe Kunde, daß Irland nun richtig gewählt hat. Der gleichgeschaltete Tenor ist überall gleich: gut, daß die Iren nicht eine EU-Abstimmung mißbraucht haben, um ihrer ungeliebten Regierung einen Denkzettel zu verpassen. Rationale Gründe, den EU-Lissabon-Vertrag abzulehnen, finden nirgends Erwähnung. Warum auch? Es könnte ja doch den einen oder anderen Bürger hierzulande dazu bringen, nachzudenken, ob die Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Hintertür, das Recht des Staates auf Tötung von Demonstranten, die unbegrenzte Kapitalverkehrsfreiheit zwischen den EU-Staaten untereinander und gegenüber dem gesamten Rest der Welt (die einer der Hauptgründe für die Finanz- und Wirtschaftskrise ist), der Zwang zur militärischen Aufrüstung für Rohstoffsicherung oder die Aufhebung der Gewaltenteilung durch Exekutivvollmachten und Gesetzgebung in den Händen der EU-Kommission und der EU-Räte wirklich etwas ist, dem man als klar denkender Demokrat und Vertreter von Menschenrechten allen Ernstes zustimmen kann.

Armes Irland. Nachdem es jahrhundertelang unter der Tyrannei der britischen Krone gelitten hat, ordnet es sich nun einer fernen EU-Kommission unter und reduziert sich auf eine kleine, unbedeutende Randprovinz eines undemokratischen Molochs. Spätestens, wenn tatsächlich der Kriegsverbrecher Tony Blair, dem zusammen mit George W. Bush das Blut von anderthalb Millionen Menschen Iraks an den Händen klebt, der erste EU-Präsident wird, dürfte in Irland die erste Reue über die Entscheidung aufkommen. Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung kann man noch nicht einmal sagen, daß eine Mehrheit der Wahlberechtigten für den EU-Diktaturvertrag votiert hat. Diejenigen, die dafür votiert haben, sind auf die massive Propaganda der EU hereingefallen, die mit einer impliziten Drohung, die EU-Förderung für Irland zu streichen, verbunden war. Obwohl es in Irland – wie in den meisten demokratischen Staaten – verboten ist, ausländische Wahlwerbung als Einmischung zu gestatten, hat Brüssel ein Millionenbudget und verschiedene EU-Vertreter bereitgestellt, um für den Verfassungsvertrag zu trommeln. Schon allein die Tatsache, daß man ein Land so oft abstimmen läßt, bis es die aus Sicht der Eliten „richtige“ Entscheidung fällt (in einer Demokratie gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, sondern einen Wettstreit der Argumente und Mehrheiten), zeigt, welches krankhafte Verständnis die EU von Demokratie vertritt. Zugleich wird den Kritikern des EU-Lissabonvertrages vorgeworfen, daß sie Gegner einer europäischen Einigung wären. Im Gegenteil! Eine europäische Einigung kann nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn die Institutionen der EU keinen Rückschritt im Kampf für Demokratie und Menschenrechte darstellen, sondern einen Fortschritt. Es kann nur dann ein erfolgreiches Projekt sein, wenn im Gegensatz zu jetzt der Mensch und seine Bedürfnisse Dreh- und Angelpunkt aller Entscheidungen sind und nicht die Profitverwertungskriterien einer Elite, die jeden Anstand hinter sich gelassen hat, Macht und Reichtum auf Kosten der Mehrheit zu vergrößern. Wenn die Geschichte eins zeigt, dann ist es, daß keine Tyrannei, keine Diktatur und kein Unrechtsstaat auf Dauer existieren kann. Indem die EU den Lissabonvertrag an den Menschen vorbei durchpeitscht, unterschreibt sie ihren mittelfristigen Untergang und die Gefahr von erneuten innereuropäischen Konflikten, von denen wir in der Vergangenheit schon mehr als genug hatten. Eine EU der Konzern- und Geldeliten, die nicht dem Frieden und der Abrüstung, sondern dem Krieg und der Aufrüstung dient, hat keine Zukunft, sondern wird nur eine Episode bleiben, die solange andauert, bis genug genug ist, bis die Geduld der Menschen derart überstrapaziert ist, daß sie sich auflehnen werden.

Letzte Hoffnung
Jetzt liegt es am tschechischen Verfassungsgericht und dem Präsidenten Vaclav Klaus, all den Bürgern, denen das Recht, über eine neue Verfassung abzustimmen, von ihren hochgradig feigen Regierungen verweigert wurde, eine Stimme zu geben. Es liegt in seiner Macht, seine Unterschrift so lange zu verweigern, bis Großbritannien neu gewählt hat. Gordon Brown, dessen nach rechts gerückte NewLabour-Partei Vorlage für die Zerstörung der Sozialdemokratie in fast allen europäischen Staaten war, wird aller Voraussicht nach nicht nur die Wahlen verlieren, sondern auch auf den dritten Platz zurückfallen. Die britischen Konservativen werden allen Umfragen zufolge die nächsten Wahlen gewinnen und haben für diesen Fall den Engländern, Schotten, Walisern und Nordiren eine Volksabstimmung über den EU-Lissabonvertrag versprochen. Wenn auf eines Verlaß ist, dann auf den EU-Skeptizismus der Briten. Doch es gibt auch einen Haken: Die Volksabstimmung ist nur für den Fall versprochen, daß nicht schon alle anderen EU-Staaten den Lissabonvertrag ratifiziert haben. Somit darf Vaclav Klaus den Vertrag nicht unterschreiben, bevor der Regierungswechsel der Briten erfolgt und die Volksabstimmung angesetzt ist.
Es ist schade, daß ausgerechnet die Konservativen in Tschechien als auch in Großbritannien, deren unsoziale Wirtschaftspolitik normalerweise Grund genug ist, sie nicht zu wählen, die letzte Hoffnung darstellen, eine Tyrannei zu verhindern und einen neuen Prozess einzuleiten, bei der sichergestellt wird, daß jede zukünftige EU-Reform den Kriterien der Demokratie, den Menschenrechten und der Gewaltenteilung genügt.